Etikette und Fairnis

Es ist schon etwas demoralisierend wenn man so sieht, wie Etikette und Fairnis im Golfsport in den letzten Jahren zusehends abgenommen haben. Die Schuld liegt wohl weniger an den neuen Spielern, die sehr willig wären, sondern mehr bei den Clubs und -leider- auch Pros. Es macht eigentlich keinen Sinn, die Platzfreigabe nach Kauf eines teuren Schlägersatzes ggf. mit Kleidung, sozusagen Zug um Zug, zu erhalten. Es macht noch viel weniger Sinn, die Anfänger mit unzähligen Stunden auf der Driving-Range zu melken und die Regel- und Etikettekunde, da keinen Gewinn bringend, der "Praxis" zu überlassen. Nur umgekehrt wäre es richtig, liebe Verantwortliche! Die Prügel, die ich jetzt bekomme, stecke ich cool ein, nur es muss einmal laut und deutlich gesagt werden.

Es beginnt schon am 1. Tee: Wie wild wird der Schläger zur Probe geschwungen. Die Mitspieler müssen zur Seite springen, um den Schläger nicht abzubekommen. Kurz darauf mit aufgeteetem Ball wieder Probeschwünge, meist mit Bodenberührung neben dem Tee, dass die Fetzen nur so fliegen. Kein Wunder, dass der arme Greenkeeper Magengeschwüre hat und sich jeder im Club über die versauten Abschläge aufregt.

Voller Freude, sollte der zu spielende Ball nicht der dritte Mulligan sein, gehts dann auf die Runde. Dicke Divots, perfekt profilike herausgeschlagen, sollen von Anderen wieder zurückgelegt und festgetreten werden. Für was zahlt man denn das hohe Greenfee oder den sowieso zu hohen Beitrag? Fettig glänzende Divots von einem vorher spielenden Flight, direkt neben der frischen Ausschlagstelle, sind klarerweise auch kein Thema. Der Gedanke "ich wars ja nicht und warum soll ich anderer Leute Mist beseitigen" ist ein gutes Ruhekissen. Nur diesen Ungolfern sei gesagt: Wird das Divot nicht innerhalb maximal 20 Minuten eingesetzt, ist es im Feinwurzelbereich vertrocknet und wächst keinesfalls mehr an. Die hierdurch entstandene Vertiefung bleibt lange Zeit, alle Spieler behindernd, bestehen. Dass sich dann die gleichen Spieler beschweren, wenn ihr Ball in einer solch behinderten Lage ist, liegt auf der Hand. Oder haben sie, liebe Leser, hier andere Erfahrungen?

So, nun kommt das Grün. Hier kann man sich so richtig in Szene setzen. Zum Beispiel die hinter einem wartenden Spieler des nächsten Flights verärgert zum auf den Knöcheln herumbeissen veranlassen, in dem man den Trolley lässig vor dem Grün stehen lässt und erst genüsslich einlocht. Dann mit gemessenem Schritt zwischen Grün und Bunker hindurch, natürlich über das Vorgrün, zum nächsten Abschlag fährt. Oder noch besser, bevor man fährt, doch noch schnell die Scorekarte schreibt, damit man nicht alles wieder vergisst. Und sollte bei dem ganzen Procedere noch aus dem Bunker gespielt worden sein, warum den Sand glatt raken? Er war doch sowieso nicht gerakt und Fussabdrücke waren auch noch drin. Und wenn doch gerakt, dann wenigstens den Rechen einfach dort fallen lassen, wo man gerade säuerlich mit Schweiss auf der Stirn Greenkeeperarbeiten verrichten musste.

Dass Pitches kaum mehr sauber beseitigt werden, ist mittlerweile schon fast guter Ton. Und sollte die Beseitigung tatsächlich angegangen werden, wird herumgegraben und gestochert, möglichst mit dem Tee, da die Pitchgabel vor Wochen schon irgendwo in den Tiefen des Bags verschwunden ist. Dabei wird häufig der Grünsoden hochgehoben, damit die Wurzeln abgerissen und darunter ein kleiner Hohlraum geschaffen, der den Wurzeln nichts mehr zukommen lässt. Jeder braune Fleck auf dem Grün zeugt von solch sachgerechter Behandlung.

Ganz besondere Grünpflege wird von den Spielern praktiziert, die beim Entnehmen des Balles aus dem Loch möglichst dicht daran treten müssen. Hierdurch entstehen die sogenannten Vulkanlöcher, da durch das umliegende Heruntertreten der Lochrand irgendwann deutlich hochsteht und alle Bälle am Loch vorbeilaufen. Jeder quengelt, aber Keiner macht es richtig: Wegbleiben! Den Profi erkennt man schon daran, dass er beim Ball entnehmen so weit wie möglich mit dem Schuh vom Loch entfernt bleibt und keinesfalls mit dem Schuh abrollt. Für Kreuzgeschädigte gibt es Gummiaufnehmer die das ermöglichen würden, aber die 3,5 Euro leihts halt nicht mehr, nach dem Driverkauf von 599 Euro.

Vermehrt wird die Fahne mit lautem Knall, unter Hinterlassung einer Delle im Grün, fallen gelassen, anstelle diese vorsichtig mit der Hand oder auf den Putterkopf aufgelegt hinzulegen. Das signalisiert Missachtung und man kann sich dann später besser darüber beschweren, dass die Grüns verdammt hoppelig und wellig sind. Zum Ausgleich egalisiert man dann die Spikes in der eigenen Puttlinie und wundert sich über den befremdlichen, fast peinlich berührten Ausdruck im Gesicht der Mitspieler. Auf die vorsichtige Frage eines forschen Mitspielers über die Zulässigkeit solchen Tuns, kommt die Antwort, das machen die Profis im Fernsehen auch so. Na ja, dann ist ja alles klar, oder?

Am nächsten Tee ist gerade der Beste vom letzten Grün am Schlag, als immer noch diskutiert wird, während er nach dem Ball schlägt. Gleichzeitig werden arbeitsam alle Reisverschlüsse auf und zu gemacht, Reparaturen am Kaddy vorgenommen, laut zischend Flaschen geöffnet und knisternd Butterbrote freigelegt. Auf die Beschwerde des Spielers hin, dass man ihn gestört habe, wird diesem vorgeworfen, er hätte ja noch nicht zu schlagen brauchen und ausserdem solle er doch nicht gleich so pingelig sein.

Der Nächste teet dann seinen Ball einen halben Meter vor den Abschlag-Markierungen auf, in der fast 100%igen Gewissheit, keine 2 Strafschläge aufschreiben zu müssen, weil alle Mitspieler keinen Ärger haben wollen und sich ihr eigenes Spiel total vergrantelt nicht versauen möchten. Der Dritte macht derweil sportlich seinen fünfundfünfzigsten Probeschwung, um danach völlig entkräftet seinen Ball immerhin fast bis zum Ladiestee zu schlagen. Der Vierte ist dann vor Lachen und im Vorgeschmack der zu erwartenden Lady so erfreut, dass er sich lautstark über seinen geknickten Vorgänger amüsiert. Nur um dann selbst völlig unkonzentriert so in den Boden zu schlagen, dass der Ball nach einem Meter höhnisch grinsend zur Ruhe kommt. Anschliessend ist er stocksauer und würdigt seine Mitspieler mit keinem einzigen Wort mehr, bis zum Ende der Runde. Dass er sein ausgeschlagenes Divot nun leicht verwirrt zurücklegt, entgegen seiner sonstigen Abstinenz in solchen Dingen, verwundert nicht. Was hat er nun wieder falsch gemacht?

Der gesamt Flight zockelt nun gemütlich, unter merkbarer Gemütsverstimmung leidend, zu nächsten Grün. Dort angekommen, stellen natürlich nur zwei der Spieler ihr Gerät seitlich oder hinter dem Grün ab, die andern Beiden wieder davor. Nun wird geputtet. Der am weitesten Entfernte hätte zwar die Ehre, jedoch liegt ein Mitspieler viel näher zur Fahne aber auf dem Vorgrün. Dieser nimmt sich die Ehre, weil er ja ausserhalb ist, ohne den eigentlich an der Reihe befindlichen am weitesten entfernten Spieler, der auf dem Grün ist, um Erlaubnis zu fragen. Anmerkung: Das kann zwar so gemacht werden, jedoch muss sich der Flight darüber, möglichst vor dem Spiel des ersten Grüns, einigen und es darf nur zur Spielbeschleunigung dienen. Will dies einer der Spieler nicht, ist grundsätzlich immer der Entfernteste als nächster daran zu spielen.

Nun sind alle auf dem Grün, der Ladyspieler markiert seinen Ball, nicht ohne diesen mit artistischer Bewegung während des Markierens nach vorne zu befördern. Der Marker ist nun gut 5 cm zu weit vorne. Die anderen Mitspieler putten, wobei der 2. Ladyspezialist wohl zuviel den Profis im Fernsehen zuschaut. Er hält den Schläger zwischen zwei Fingern hoch, nicht um zu sehen ob er gerade ist, sondern um mit dem Schaft die Linie festzustellen, dann legt er sich halb auf den Boden und peilt, springt dann wieder auf, um über das Loch auf die gegenüberliegende Seite zu gehen und nochmals mit Liegestütz absolut professionell die Situation zu prüfen. Er geht dann wieder zu seinem Ball, stellt beide Beine parallel zusammen, einen Fuss nach Rechts den anderen nach Links, leicht in der Hocke federnd und endlich wird der Ball angesprochen. Nun spricht er an und an und an und ist völlig erstarrt, als er, nachdem ein Mitspieler schon einen Hexenschuss diagnostiziert, nun doch noch puttet, allerdings einen halben Meter neben das Loch, schade um die viele Mühe. Irgendwie erinnert diese Prozedur an einen Hund beim Schei..... Vergleichen sie das mal.

Nun ist wieder unser Marker-Roll-Spezialist dran. Fingerfertig legt er seinen Ball rund 5 cm näher zum Loch vor seinen Marker (er hat nun schon über 10 cm gewonnen) und puttet ein. Zwei Mitspieler sehen angesäuert zu, aber sie kennen ihren Kumpel ja schon. Und deshalb mit ihm zum x-ten mal streiten? Ein weiterer Mitspieler setzt an zum Putt und schlägt, als just in diesem Moment unser Marker-Roll-Spezialist direkt neben ihm lässig über die verlängerte Puttlinie schreitet. Der Putt wird natürlich völlig verzogen. Die anschliessende Beschwerde des Spielers dafür mit einem Schulterzucken ignoriert. Nun sind schon drei der Spieler fertig und laufen zu ihren Bags um zum nächsten Tee zu gehen, als der Letzte immer noch dabei ist, sein Loch zu beenden. Keiner nimmt die Fahne auf, denn die soll der Letzte doch selbst wieder hineinstecken. Tolle Kumpels, so aufmerksam und freundlich!

Ich könnte diese Liste natürlich sarkastisch noch über viele Seiten erweitern. Nur fange ich beim Schreiben bereits an, leicht gereizt einen roten Kopf zu bekommen und meine Frau wirft mir schon einen langen und mitleidigen Blick zu, der nach armer Irrer oder so ähnlich aussieht. Die Arme spielt übrigens auch Golf. Und sie hat einen Tick: Sie beschwert sich immer türkisch Frau zu sein, wenn sie mit Männern spielt. Verstehen sie das???

In meinem Leben habe ich einige wunderschöne Golfrunden gespielt. Nicht weil ich so gut war oder der Platz so excellent. Nein, weil ich in Flights spielen durfte, dessen Spieler absolut selbstverständlich korrekt nach Regeln und Etikette die Runde gespielt haben. Probieren sie es aus und sie werden sehen, es wird auch für sie eine ganz andere Dimension im Golf sein.

Euer "Regelfuzzy" A. Pflueger
http://www.fairgolf.de

Februar 2003